Aufdeckung des #0zapftis-Skandals (natürlich) nicht strafbar

In der heutigen Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages vertrat ein Redner die Auffassung, die handelnden Personen des CCC könnten sich der Strafvereitelung schuldig gemacht haben, indem sie den verfassungswidrigen Einsatz von Staatstrojanern sowie die Software selber öffentlich gemacht haben.

Diese Idee politisch zu bewerten steht mir nicht zu; rechtlich jedenfalls kann dies nicht überzeugen.

Eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung nach § 258 StGB würde direkten Vorsatz voraussetzen, die Bestrafung Dritter zu verhindern: Die handelnden Personen müssten also gewollt oder als sicher vorausgesehen haben, dass konkrete Ermittlungen gefährdet werden.

Nun kenne ich die Interna des CCC natürlich nicht. Allerdings liegt dieser Gedanke fern: Von Einzelheiten der mit dem betroffenen Trojaner geführten Ermittlungsverfahrens wussten die CCCler offenbar nichts, denn die Festplatten waren ihnen durchweg zugespielt worden, ohne dass sie dabei von irgendeinem Verfahrensbezug erfahren hätten. Die einzige Ausnahme bildet das Landshuter Verfahren – hier allerdings war der Trojaner-Einsatz bereits beendet, sodass auch hier keine Beweiserhebungen mehr vereitelt wurden. Was etwaige andere Verfahren angeht, in denen dieselbe Software eingesetzt wurde, so hat der CCC durch rechtzeitige Information des Bundesinnenministeriums gerade verhindert, dass die Ermittlungen z.B. durch eine Warnung eines Antivirusprogramms aufgedeckt wurden.

Vor allem aber scheint mir rechtlich folgender Gedanke von Bedeutung: Sicherlich hat die Aufdeckung des vom CCC analysierten Trojaners dazu geführt, dass dieser nicht mehr eingesetzt werden kann. Eine Strafvereitelung liegt darin aber schon deshalb nicht, weil die mit dieser Software erhobenen “Beweise” ohnehin strafprozessual unverwertbar sein dürften, sodass aus ihrer Nichterhebung auch kein Schaden für die Strafverfolgung entsteht.

Denn jenseits der Debatte um die – ebenfalls zu verneinende – Zulässigkeit der Quellen-TKÜ nach der StPO ermöglichte der konkret veröffentlichte Trojaner “Application Shots”. Das aber wäre nur im Rahmen einer Online-Durchsuchung rechtlich zulässig gewesen, für die es in der Strafprozessordnung eindeutig – und insoweit auch unstreitig – keine Grundlage gibt. Außerdem hat die Analyse des CCC offen gelegt, dass der Trojaner über eine verfassungsrechtlich in keinem Falle zulässige Funktion zum beliebigen Manipulieren des Zielsystems verfügte. Der vieltausendfache Einsatz der “Application Shot”-Funktion verletzte schließlich auch zumindest im Landshuter Verfahren die Vorgaben des ermittlungsrichterlichen Beschlusses.

Nun kennt die StPO zwar kein generelles Verwertungsverbot für rechtwidrig erhobene Beweise; vielmehr geht der BGH von einer Abwägung zwischen Rechtsverstoß und Schwere des Tatvorwurfs aus, soweit kein gesetzliches Verwertungsverbot eingreift. Angesichts der beispiellosen Schwere der Rechtsverstöße, bei denen klare Vorgaben des BVerfG missachtet und diese Verstöße zum Teil auch noch in der Software bewusst verschleiert wurden, dürfte die Abwägung hier jedenfalls ergeben, dass die per Trojaner möglicherweise zu erlangenden “Beweise” ohnehin nicht hätten verwertet werden dürfen. Dann aber macht es keinen Unterschied, ob gleich ihre Erhebung vereitelt wird – eine Strafvereitelung scheidet aus.

Schließlich bleibt auch daran zu denken, dass der Einsatz der Trojaner seinerseits rechtwidrig war – dann wären die CCCler, die deren weiteren Einsatz verhinderten, je nach den genauen Umständen des Einzelfalls auch wegen Nothilfe (§ 32 StGB) gerechtfertigt.

Insofern dürften sich die Trojaner-Buster vom CCC zurücklehnen können – und die Ermittler ebenfalls, können und müssen sie doch entsprechende Verfahren gegen die beteiligten Personen sogleich wieder einstellen (§ 170 Abs. 2 StPO). Dies dürfte zu einiger Erleichterung führen, denn welcher Staatsanwalt mag sich schon dem naheliegenden Vorwurf aussetzen, er verfolge ausgerechnet diejenigen, die sich für verfassungsmäßige Zustände bei den Strafverfolgungsbehörden engagieren? Aus der Sicht der Öffentlichkeit würde ein Verfahren gegen die CCCler jedenfalls den Rechtsstaat geradezu auf den Kopf stellen.

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18 Responses to Aufdeckung des #0zapftis-Skandals (natürlich) nicht strafbar

  1. Mithos says:

    Und wie sieht es im Gegenzug mit einer Anzeige wegen übler Nachrede oder gar Verleumdung aus? Man muss sich ja nicht gefallen lassen, vor so großer Öffentlichkeit als Gesetzesbrecher verunglimpft zu werden.

    • vieuxrenard says:

      ich würde zur Zurückhaltung raten … im politischen Meinungskampf ist vieles erlaubt, außerdem stützt sich der Redner anscheinend auf ein Gutachten des wiss. Dienstes (jdf. sagt er das)

      • Thorsten says:

        Das Gutachten würde ich gerne sehen, ich glaube nicht daran.

        • drui says:

          Der Redner steht seit zwei Tagen unter Plagiatsverdacht. Er dürfte bald Doktortitel, Professorenposten und wiss. Reputation los sein, da soll er ruhig auch mal Bundestag seine Inkompetenz beweisen.

    • BasicBaer says:

      Für Parlamentarier auf Bundes- und Landesebene gilt Indemnität (http://de.wikipedia.org/wiki/Indemnit%C3%A4t). Damit scheidet eine Strafverfolgung aus.

  2. Pingback: ijure.org | staatstrojaner | Scoop.it

  3. Frank says:

    Hm, aus einer ziemlich verdrehten Weltsicht könnte man argumentieren, dass der CCC durch die Aufdeckung des Trojaners verhindert hat, dass Landes- und Bundesbehörden ihn weiter einsetzen und sich weiterhin strafbar machen könnten.
    Somit hätte der CCC Strafvereitelung zugunsten der einsetzenden Behörden betrieben ;-)
    SCNR

    • vieuxrenard says:

      richtig, genau das wäre eine zwar pathologische, aber doch denkbare Sicht der Dinge. Deswegen habe ich oben versucht darzulegen, dass die per Trojaner zu erhebenden Beweise ohnehin unverwertbar wären, sodass es gleichgültig ist, ob man sie gar nicht erst erhebt (weil der CCC den Trojaner “abgeschossen” hat) oder ob man sie später nicht verwenden darf, weil sie grob rechtswidrig erhoben wurden.

      EDIT: Und soweit es um eigene Strataten der Ermittler geht – die Vereitelung zukünftiger Straftaten ist natürlich niemals als Strafvereitelung strafbar; es geht immer nur um die Verfolgung schon begangener Taten.

  4. JLloyd says:

    “Dies dürfte zu einiger Erleichterung führen, denn welcher Staatsanwalt mag sich schon dem naheliegenden Vorwurf aussetzen, er verfolge ausgerechnet diejenigen, die sich für verfassungsmäßige Zustände bei den Strafverfolgungsbehörden engagieren?”

    Das dürfte eingedenk der Verfolgungswut zahlreicher Sitzungsvertreter eine eher rhetorische Frage sein.

    • vieuxrenard says:

      Sicherlich bestimmt das Sein auch bei manchen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten allzu sehr das Bewusstsein – gleichwohl: Ermittlungsverfahren in diesen Fällen dürften wegen der öffentlichen Aufmerksamkeit stets “Berichtssachen” sein, und die machen wg. der Berichte “nach oben” derart viel Aufwand, dass sie niemand besonders gerne bearbeitet. Da ist man doch meist ganz dankbar, wenn es einen eleganten Weg gibt, das Verfahren zu beerdigen (s.o.).

  5. Quellen-TKÜ says:

    “Gemäß unserer Hackerethik und um eine Enttarnung von laufenden Ermittlungsmaßnahmen auszuschließen, wurde das Bundesinnenministerium rechtzeitig vor dieser Veröffentlichung informiert. So blieb genügend Zeit, die vorhandene Selbstzerstörungsfunktion des Schnüffel-Trojaners zu aktivieren.” http://ccc.de/de/updates/2011/staatstrojaner

    Von Vorsatz kann auch deswegen keine Rede sein. IMHO

  6. Klaus Wolf says:

    Eine Strafvereitelung würde übrigens voraussetzen, dass eine Strafe vereitelt wird, und nicht nur eventuell aussichtslose Ermittlungen. Hierzu ist dann erforderlich, dass derjenige auf anderem Wege der Tat überführt wird, im übrigen wäre zu zeigen, dass die gestörte Ermittlung zu einem Erfolg geführt hätte, und dass die erhobenen Beweise verwertbar gewesen wären.
    Obwohl das jenseits jeder Chance liegt, zumal die entsprechenden Trojanerkopien ja von den Beschuldigten stammten, ist es dennoch möglich, dass wieder mal ein Exempel statuiert werden soll, bei dem über Recht und Gesetz unwohlwollend hinweg gesehen wird.

  7. Pingback: UPDATE: Veröffentlichung des Staatstrojaners Quellcodes ist Straftat | Ralphs Piratenblog

  8. Daniel says:

    Wenn die “mit dieser Software erhobenen “Beweise” ohnehin strafprozessual unverwertbar sein dürften”, dann dürfte doch auch der ein oder andere Prozess neu aufgerollt werden?!

  9. frosch says:

    Der Rechtsstaat wird regelmäßig auf den Kopf gestellt, wenn z. B. gegen Opfer polizeilicher Gewalt selbst strafrechtlich ermittelt wird – bis hin zu Strafbefehl und Anklage. Insofern wäre es nicht verwunderlich, wenn sich ein Staatsanwalt findet, der gegen den CCC ernsthaft Ermittlungen einleitet – incl. Hausdurchsuchung und Beschlagnahme. Auch dafür findet sich sicher ein Ermittlungsrichter, der solche Anordnungen mal eben unterschreibt – das Unterbleiben einer genauen Prüfung ist nicht ungewöhnlich und ja auch mit ursächlich für den Einsatz des Trojaners.

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